Lightroom vs. Original

Was halte ich von Bildbearbeitung mit zB Lightroom ? Erst mal find ich es toll, aber dann auch wieder unheimlich. Tolle Fotos aus den Zeiten ohne Computer sind oft nicht nachgearbeitet, im Entwicklungsprozess konnte man noch korrigieren, besondere Stellen aufhellen oder abdunkeln, was auch gemacht wurde, aber das wars dann auch schon. Trotzdem sprechen diese Bilder für sich und sind ausdrucksstark. Vermutlich sind immer noch viele Bilder, die zB Press Awards gewinnen nur dezent nachgearbeitet. Da wirkt alleine das Motiv, der Ausschnitt, die Situation und idealerweise das Licht für sich selbst.

Ich nutze selbst Bildbearbeitung, aber ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich versuche nahe am Original zu bleiben. Man kann viele Bilder einfach „aufpeppen“ in dem man Filter einbaut, Farben verstärkt, die so nur schwach vorhanden waren und Effekte nutzt, die etwas betonen, was von sich selbst für den realen Betrachter gar nicht in dieser Stärke vorhanden war. Beispiel gefällig ?

Meine Tochter mit selbst gefärbten Haaren und ohne Bearbeitung. Fast ein langweiliges Bild, mit wenig Licht einfach spontan fotografiert, irgendwie fad.

Mit Lightroom bearbeitet, auf einmal wirkt das Gesicht komplett anders, kontrastreich und die Haare leuchten, Gesicht und Haarfarbe stechen hervor, aber es wirkt unnatürlich. Ja, man kann jetzt sagen, dass es „überbearbeitet“ ist, aber ich möchte mal die Extreme ausloten.

Weiter geht‘s, Shooting mit einem Freund von mir, der Schauspieler ist:

Unbearbeitet, Hintergrund nichtssagend, wir haben einfach an vielen Orten erst mal Probefotos gemacht.

Hui, das find ich gut, grobkörnig, mir fällt spontan der Begriff Seewolf ein, toller Kontrast und ausdrucksstark.

Nun frage ich mich, was sagt zB eine Agentur, die nur die bearbeiteten Bilder gesehen hat, oder der Caster, wenn er dann einen Menschen im Original sieht. So, wie es scheinbar vielen Menschen bei Tinder geht, die Bilder sehen, wo die Person wie Claudia Schiffer aussieht und beim Treffen denkt man eher an Helga Feddersen (ja, der junge Leser kann mit beiden nichts anfangen). Zum Glück hat der Schauspieler auf den Fotos dieses Problem nicht, er wirkt auch in Natura eindrucksvoll und charismatisch.

Natürlich geht es hier nicht um professionelle Bilder, ausser Art-Projekten habe ich kaum fies und auffällig bearbeitete Fotos von Profis gesehen. Viel mehr sind es die vielen Hobby Knipser, die durch Filter und sonstige Möglichkeiten versuchen, alles aus einem schlechten Bild raus zu holen. Animiert durch vordefinierte Filter, die es bei Instagram, iPhone, etc. gibt, meinen zu viele, die Realität einfach nach Belieben verändern zu müssen. Und jetzt Achtung, wenn es bisher nicht philosophisch war, dann wird es das jetzt: Warum versuchen wir die letzten Jahre die Realität immer so stark zu verändern, bis sie uns passt ? Was ist mit dem Touristen passiert, der früher mit seiner REVUE Knipse von Quelle einfach Bilder gemacht hat und nun auf einmal allen zeigen will, dass auf Helgoland der Sand aussieht wie in der Karibik, der Himmel ebenso und seine Frau mittlerweile keine Falten mehr hat.

Was will ich also sagen ? Mehr Mut zur Realität, weniger Filter und Instagram Weichzeichner, die Wahrheit kommt ohnehin irgendwann ans Licht. In einer weich gezeichneten Illusion der Filter zu leben macht doch auch keinen Spass. Ein wenig nachregulieren ist fein, alles andere ist zumindest für mich irgendwie unheimlich.